Art Spiegelman – der leidenschaftliche Comiczeichner

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich das Werk Maus von Art Spiegelman gelesen, ich war von der Menge an Emotionen, die der Künstler im Buch wiedergeben konnte, fasziniert. Mich überwältigte aber auch das Gefühl der Leere, die man empfindet, wenn etwas so unglaublich Berührendes in deine Hände gerät, dass du nichts mehr anfangen kannst. Du bist für eine Zeit nicht aufnahmefähig.

Am 20. September bin ich mitten ins Gespräch Art Spiegelmans mit Andreas Platthaus im Museum Ludwig geraten, geraten ist das falsche Wort, aber durch die Masse an Menschen, die vor mir saßen und standen, hatte ich Schwierigkeiten zuzuhören. Art Spiegelman ist anscheinend wirklich berühmt, habe ich aus der Menge herausgehört, aber ist das wichtig?

Ist Erfolg das, was Art Spiegelman als bedeutend empfindet? Ist es eher das Schicksal, oder doch Mühe und Liebe zu seinem eigenen Werk, die ihn in die Situation geführt haben, im Museum Ludwig Fragen von Andreas Platthaus zu beantworten?

Ich denke, dass Art Spiegelman einfach ein Mensch ist, der das Glück hatte, nie seine Leidenschaft zur Comiczeichnung unterbrechen zu müssen. Er konnte sein ganzes Leben lang das zeichnen, was er mochte, Comicfiguren, die immer wieder etwas von ihm selbst wiederspiegeln. Er verarbeitet sein Leben in den Zeichnungen, die ihm dabei helfen, wieder zu sich zu finden.

Im Museum Ludwig wird die Ausstellung CO-MIX: Art Spiegelman. Eine Retroperspektive von Comics, Zeichnungen und übrigem Gekritzel bis zum 6. Januar gezeigt. Sie eröffnet den Weg zum Künstler und seinem Werk und vielleicht den Blick auf die Comiczeichnung auch für die Besucher, die nicht unbedingt offen für diese „andere“ Kunst sind.

Art Spiegelman hat die wahre Geschichte des Lebens seines Vaters in einem Comicheft erzählt und damit vielleicht die Welt verändert. Aber es scheint auch der richtige Moment gewesen zu sein, an dieser Geschichte auch andere teilhaben zu lassen. Dieses Werk reist mit dem Künstler um die Welt. Es ist ein Stück von ihm, das jeder in der einen oder anderen Weise immer mit sich trägt, da wir alle Kinder unserer Eltern sind, die alle immer ein Teil von uns bleiben.

Sein Vater konnte den Erfolg seines Sohnes nicht miterleben, aber er hat ihn auch nie daran gehindert, Künstler zu sein. Art Spiegelman konnte seinen Weg gehen, und seine Eltern waren diejenigen, die ihm die Leidenschaft nicht nehmen wollten. Sie konnten ihn vielleicht nicht verstehen, aber sie haben ihn machen lassen, was er wollte.

In der Ausstellung kann man genau diesen Weg mitverfolgen, von den Zeichnungen, die er anfangs mit seiner Mutter gekritzelt hat, über das RAW-Magazine (die Zusammenarbeit mit seiner Frau), Maus (die Verarbeitung der Erlebnisse des Vaters in Auschwitz) und Breakdowns (das Selbstportrait des Künstlers) bis hin zu Im Schatten keiner Türme (die Erfahrung des 11. Septembers). Außerdem ist der Film von Clara Kuperberg und Joëlle Oosterlick (ARTE 2009) über den Künstler am Anfang/Ende der Ausstellung sehenswert.

Seine Mutter war diejenige, die mit ihm zusammen Kritzeleien anfertigte. Ihren Selbstmord verarbeitete Spiegelman eher expressionistisch, im Film sagt er, dass er ein gewisses Maß an Unruhe für erfolgreiches Arbeiten benötigt. Auch in seinem berühmten Werk Maus versucht er die Beziehung zu seinem Vater zu verbildlichen, indem die beiden über das Grauen sprechen, reden sie miteinander und führen eine echte Vater-Sohn-Beziehung. Obwohl der Vater früher das Thema immer verweigerte, spricht er mit seinem mittlerweile erwachsenen Sohn über alle Einzelheiten.

Die Tatsache, dass die Maus ihn immer weiter in seinem Leben verfolgt, verinnerlicht Art Spiegelman in seinem Portrait Selbstportrait mit Maus Maske (1989), auch lehnt er die Verfilmung der Maus ab.

Durch die Offenlegung seiner eigenen Geschichte, der Geschichte seiner Eltern und anderen Einzelheiten, die Spiegelman in der einen oder anderen Weise betreffen, hat Spiegelman das Neue im Medium Comic erreichen können, das Ernste, das Tiefgründige in den Comiczeichnungen, die das Reale darstellen.

Es sind verschiedene Themen, die Art Spiegelman bewegen. Seine Werke sind teilweise provokativ, teilweise programmatisch. Es sind Zeichnungen wie Die wilde Party (1994), die auch meinen Blick wegen ihrer zarten Ästhetik aufhalten. Sie könnte im Dunkeln des Themas vielleicht an ihrer Kraft verlieren, aber die geniale Technik, die mehrfache Anfertigung des Künstlers sind auch in diesen Arbeiten sichtbar.

Hinter jedem großen Künstler steht auch jemand, der ihn in allem unterstützt und vielleicht auch fordert. Im Fall Art Spiegelmans ist es seine Frau, die stark an seiner Seite steht und ihn immer wieder zu sich finden lässt, ob im RAW-Magazine oder im New-Yorker oder bei der Ausstellungseröffnung, sie ist die Frau, die im Werk Maus den entscheidenden Satz „Du musst nur ehrlich bleiben, Liebling.“ ausspricht.

Julie Mehretu

Wer ist Julie Mehretu? Da ich mich für Kunst interessiere, natürlich eine Künstlerin, eine Malerin genauer gesagt, die auch bei der Documenta 13 vertreten ist. Es ist schön, neue Künstler für sich zu entdecken. Sie ist bekannt, aber ich kannte sie nicht und es begeistert mich, wenn ich etwas sehe, was anders ist, so anders, dass ich nach Antworten suche. Es ist abstrakte Kunst, die die Linie bekennt, weiße Farbe, mit wenigen farbigen Strichen in Kontrast zu dünnen Tintenstrichen zu setzen. Es sind große Leinwände, die architektonische Pläne andeuten, Routen oder Wege, die Künstlerin verbindet Zeichnung mit Malerei und erkennt die Form, die Linie und die Farbe als Ganzes.

Julie Mehretu (1970 in Addis Abeba geboren) ist für ihre genaue Recherche bekannt, sie sucht Architektur aus, die ihr hilft die Themen der Globalisierung, Zerstörung, Macht und Vergänglichkeit zu behandeln. Es sind großformatige Arbeiten, die das Helle und das Dunkle der Gegenwart betonen. Die wenigen farbigen Striche unterstreichen die Freude des Entstehens, die ganauen dunklen Tintenstriche den Moment der Zerstörung. Die Architektur ist stark, aber sie braucht auch den Schutz. Die Menschen suchen nach Schutz und Sicherheit bei sich zuhause, aber können wir wirklich in dieser Welt, in unserer Gesellschaft sicher sein?

In der ständigen Angst etwas zu verlieren, verlieren wir unser Vertrauen, nicht nur an die anderen, auch an uns selbst.

Julie Mehretu malt abstrakt, jeder kann etwas anderes für sich in ihren Bildern erkennen. Aber auch in ihrem Arbeitsprozess vertritt sie die Vision, in dem sie monatelang an ihren Arbeiten bleibt und sie immer wieder verändert, bestimmte Elemente auslöscht und die anderen auffüllt, dass die Welt bedrohlich wirkt. Indem wir die Möglichkeit haben immer wieder etwas zu verändern, können wir auch den Halt verlieren.

Es ist mein Blick auf ihre Kunst, die gleichzeitig voller Leben und Fragen ist. Fragen, die wir uns stellen und manche unbeantwortet lassen.