Zwischenspiel mit Kathrin Rabenort

Das Besondere am Turm der Lutherkirche in der Kölner Südstadt ist die Atmosphäre. Jedes Mal, wenn ich durch die Räume gehe, habe ich ein entspanntes Gefühl, das auch anhält.

Kathrin Rabenort schafft es jeden Raum des Turmes mit Ihrer eigenen Note zu umgrenzen und mit bestimmten Farben zu füllen. Ihre Themen sind genau gewählt und stringent mit einem Hauptthema in Verbindung gesetzt. Es sind keine neuen Werke, aber sie ziehen in verschiedenen Räumen einen neuen Glanz an.

Es sind Spieler und Puppen; Schauspiel und Spiel; Menschen und Kleider – sie sind es, die in den Werken Rabenorts präsent und abwesend zugleich erscheinen.

Es sind Uniformen, die immer wieder in fast jedem Raum eine Rolle spielen. Warum heißt dann die Ausstellung „Zwischenspiel“? Vielleicht weil wir uns immer in einer Art „Zwischenspiel“ befinden. Wir beenden ein Spiel und es beginnt ein neues.

Spieler wie Footballspieler, wie in „Vikings, falcons, unicorns“, deren Gesichter hinter ihren Helmen nicht zu sehen sind und dessen Ausrüstung ihnen das Gefühl der Sicherheit geben soll, sind auch ein Bestandteil der Ausstellung (Raum 1).

Wir sind alle in der einen oder anderen Weise Spieler, warum? Weil wir mit den Gefühlen der anderen spielen, auch wenn wir es nicht immer zugeben. Wir spielen aber auch mit uns selbst, indem wir uns hinter den gesellschaftlichen Normen verstecken. Oft erlauben wir uns nicht, was wir wirklich wollen und lassen unseren Emotionen keinen freien Lauf.

Uniform ist auch eine Norm, eine Norm, die wir oft als nachteilig empfinden. Hat eine Uniform wirklich nur Nachteile? Ist es nicht so, dass durch die gleiche Uniform eine Art Zusammengehörigkeit entstehen kann? Oder ist es ein Zwang? Wir können uns vielleicht auch an unsere Kindheit erinnern, wenn wir offen zugeben würden, dass vielleicht eine Uniform auch eine Art Freiheit bedeutet, weil man sich nicht jeden Morgen zuerst damit beschäftigt, was man anziehen soll.

Im dritten Raum sehen wir einen roten Vorhang, hinter dem sich zwei kleine Puppen fast verstecken, neben einer Kinderzeichnung aus Zucker und Pigment („Krokodil“), die uns einladend anlächelt. Was haben Puppen und Spieler gemeinsam? Sie werden in eine bestimmte Ordnung gebracht, entweder auf dem Feld oder im Kasperle – Theater.

Eine Uniform besteht aus Teilen, die zusammengesetzt werden, eine sichtbare Ordnung in einer Art Unordnung entsteht dadurch im letzten Raum der Ausstellung. An einer Wand akkurat, an der anderen chaotisch und vernachlässigt.

Insgesamt lässt sich sagen, wir leben in einem Chaos, in welchem wir alles versuchen um eine bestimmte Ordnung zu schaffen. Wir brauchen Sicherheit, Menschen, Wärme und Spiel.

Die Fetzen und Nähte, einerseits Schnipsel, andererseits Anschlüsse und Kombinationen sind als Kontraste im gesellschaftlichen Leben zu sehen. Kleider, die gigantisch und unbrauchbar erscheinen, weil sie nicht für uns gedacht sind, sind Zeichen der Abhängigkeit, die uns begleitet. Die Abhängigkeit, die wir aber auch in gewissem Maße brauchen, sonst verlieren wir im größten Spiel, das sich Leben nennt.

PRAG – Neue Band – einfach herrlich

Am Montag, den 15. 10 habe ich tasächlich die Tickets für ein Konzert der neuen Band PRAG gewonnen. Ich kannte die Band nicht und vor allem wusste ich nicht, dass die Schuspielerin Nora Tschirner Musik macht. Am Mittowch war ich sehr gespannt, was mich erwartet. Es ist eine Sache, ein Lied gut zu finden und eine andere das ganze Konzert zuzuhören. Das Konzert fand in der Kulturkirche Köln statt, eine wundervolle Atmosphäre, gute Laune sprühte und ich glaube, alle waren genauso gespannt wie ich. Es war nämlich das erste Konzert der Band, die auf sich ziemlich lange warten ließ. Aber es hat sich definitiv gelohnt, die zwei Musiker Erik Lautenschläger und Tom Krimi waren großartig, man merkte, dass sie genau das tun, was sie lieben. Ja man könnte sagen, jeder Musiker sollte es, aber es ist leider nicht immer so. Vor allem das Ergebnis soll ja stimmen. Und die beiden sind einfach Vollblutmusiker, die mit Gefühl und Wärme die Töne geben, die einen verzaubern können. Nora Tschirner ist einfach charmant und witzig, was dem Ganzen noch mehr Sinnlichkeit verleiht und sie kann auch singen. Die Lieder, die sie zusammen mit dem Sänger gesungen hat, fand ich am besten. Ihre Stimme harmoniert mit der männlichen Stimme von Eric Lautenschläger. Das Orchester, das die Band begleitet, ist einfach toll und die Musik geht in die melancholische, aber auch ganz fröhliche Richtung. Der Komplex aus verschiedenen Tönen, nicht nur unterschiedlicher Instrumente, sondern auch Klängen der Stimmen kombiniert die Teile zu einem sinnvollen Ganzen.

Das feine Zusammenspiel der versch. Elemente

„… ich könnte mir vorstellen, dass Sie durch meine Räume gingen.“

Ulla Bönnen & Thomas Kemper

Assemblagen, Installationen, Malerei

Lutherkirche, Köln

Das Zusammenspiel unterschiedlichster Objekte von Ulla Bönnen und Thomas Kemper ergibt sich aus langen Überlegungen der beiden Künstler, die sich genau mit fünf getrennten Räumen der Lutherkirche auseinandergesetzt haben. Es war ein Prozess der Veränderung der Zusammenstellung, der zum harmonischen Ergebnis geführt hat.

Es sind Entscheidungen, die den Besucher beeinflussen, ohne dass er oder sie es merken. Die Entscheidung Thomas Kempers in der Wahl der Größe seiner Werke, die jedes Mal genau angepasst wird. Oder die Entscheidung von Ulla Bönnen, die Fundstücke aus dem Rhein in einer Rauminstallation mit einem grünen Faden zu verbinden. Es sind auch andere Entscheidungen getroffen worden, dass überhaupt das Aufeinandertreffen der Künstler stattfinden konnte.

Es sind Teile, die zu einem Ganzen führen. Das Ganze, das man auch in Einzelteilen durchaus betrachten kann. Die Zusammenführung gelingt auch im zweiten Raum der Ausstellung, in welchem das Werk „Verklemmt“ und „Get Outside…“ von Ulla Bönnen in Gegenüberstellung mit dem farbenfrohen Werk von Kemper steht und das Komplexe solcher Ausstellung nochmals betont.

Es geht um die Grenzen, in welchen der Mensch sich immer wieder befindet, die durch das Rausgehen, Sich sammeln und frei die Luft einatmen vielleicht nur kurz, aber trotzdem gebrochen werden. Die geschwungenen Linien Kempers im Zusammenhang bringen das Leichte, das Geheimnisvolle und das Rätselhafte, was uns nicht immer klar ist und werden kann ins „Haus des Lebens“, das man manchmal von außen, ohne Rücksicht auf sich oder die Umstände, die einen begleiten, einfach nur kurz verlassen muss. Flüchten! Dahin, wo alles vergessen ist, was einen entmutigt.

Es sind die Werke wie „L´espace indecible“ von Bönnen und die Plexiglasobjekte von Kemper, die die Musik des Herzen erklingen lassen können, wenn man es nur zulässt. Sie erinnern an die Tiefe der Instrumente und das Ruhige der Natur, wenn man sie nur länger betrachtet.

Es sind die Räume, die einen füllen, man sollte nur versuchen zu verstehen, was es ist, oder den Gedanken fallen lassen, wenn kein anderer Ausweg in Sicht ist.

Fotos von Miriam Bargheer

William Kentridge

Das erste Mal habe ich die Arbeit des Künstlers William Kentridge im Museum Ludwig in Köln gesehen. Das Video aus Tausenden von Zeichnungen wurde von einer gefühlvollen Musik begleitet. Das Zusammenspiel des Klanges mit den zahlreichen Zeichnungen, die die Traurigkeit in sich tragen und mit sich ziehen, hat mich für lange Zeit in seine Bann gezogen. Der kleine Raum mit einer Sitzbank betonte die außergewöhnliche Tiefe des Künstlers, der den Zuschauer mit schwierigen Themen konfrontiert.

Die Themen der Trauer, der Einsamkeit, des Alleinseins und des Verlustes von Menschen, die man liebt und braucht. William Kentridges Zeichnungen zeigen oft den Künstler selbst, aber auch die Personen, die für ihn von Bedeutung sind. Es ist aber nicht wichtig zu wissen, dass der Künstler sich oft selbst portraitiert, weil er in jeder seiner Zeichnungen auch auf der Suche nach sich selbst zu sein scheint. Er spielt mit der Wahrnehmung des Zuschauers, aber gibt mit jeder Zeichnung einen Teil von seiner Welt.

William Kentridge (geboren 1955 in Johannesburg) ist für mich ein Künstler, weil er mit der Kunst nicht abschließen kann. Er versucht sich in verschiedenen Medien, und verbindet sie, indem er ein Video aus mehreren Zeichnungen zusammenstellt oder ein Theaterstück dokumentiert und einen Film mit einigen Zeichnungen in Kontrast stellt. Er ist offen für das Neue und hat keine Angst vor Konfrontation. William Kentridge zeichnet, photographiert seine Zeichnungen, verändert sie und photographiert sie wieder, daraus entstehen animierte Filme, die den Künstler in allen seinen Fassetten zeigen. Es sind Filme, die voller Leichtigkeit sind, trotz der Themen und langen Entstehungszeit. Es sind Filme, die bewegen und zum Nachdenken bringen.

Die Animation „Felix in Exile“  (1994) zeichnet eine traurige Geschichte, seine Zeichnungen scheinen lebendig zu sein und man empfindet die Trauer des Protagonisten. Es ist nicht einfach alleine zu sein, aber jeder ist eigentlich mindestens teilweise alleine mit sich selbst konfrontiert. Wir sind auf der Suche nach Liebe, Anerkennung und Wärme. Aber sollten wir uns nicht öfter fragen, ob wir selber imstande sind Liebe und Wärme zu geben?

Das zweite Mal habe ich das Werk Kentridges „The Refusal of Time“ (2012) während der Documenta 13 gesehen. Ich wusste, dass William Kentridge bei der Documenta vertreten ist und ich bin in den Raum rein, in welchem er ausstellt, und wieder raus. Es war mir für einen Moment fremd, in dem Moment wusste ich auch nicht, dass dies sein Werk ist. Abends sind wir zurück und haben uns den Film angesehen. Ich bin in tiefe Gedanken versunken. William Kentridge steigt über die Stühle und sagt die Sekunden an in seinem 24-minutigen Video. Es sind Frauen und Männer, die ein Land zu Fuß verlassen, schwere Säcke tragend und die Geschichte einer Frau, ihres Mannes und Liebhabers. Es ist aber auch die Musik, die das Werk Kentridges vollendet. Die laute Musik am Anfang, die im Rhytmus von Metronomen immer schenller und schneller hin und her schlagen, steht im Kontrast zum Künstler selbst. Sie gibt im Zusammenspiel mit der Atemmaschine noch mehr Gefühl und füllt den Raum. Es geht auch um die Zeit, die immer weiter geht, auch wenn man sie zu stoppen versucht und es handelt von den Menschen, die mit der Zeit gehen und ihre Zukunft in die Hand nehmen, aber auch um die, die alles so annehmen, wei es ist, auch wenn sie unzufrieden sind. Der Rhytmus, die Bewegung und das besondere Gefühl für Zusammenhänge von anscheinend unzusammenhängenden Elementen und Geschichten treten  in den Werken des Künstlers, der selbst mit der Zeit zu gehen scheint und sie durch seine Kunst verändert, hervor.

William Kentridges Werke versetzen mich in eine Art Illusionswelt, in die ich schon mal gerne flüchte. Sie lassen mir den Freiraum für mich eigene Schlüsse zu ziehen. Sie sind ernst und traurig, aber voller Faszination und Gier nach dem Leben, nach dem Moment hier und jetzt und nach dem Genießen dieser Momente, die wir nicht immer schätzen. Die bewegten Bilder, im Falle Kentridges die bewegten photographierten Zeichnungen eröffnen Möglichkeiten für das Verstehen von eigenen Bedürfnissen und der Umwelt, aber sie erinnern auch an die Menschen, die die Welt verändern oder zerstören, indem sie zu stark an sich selbst denken und die anderen vergessen.